Sainte Acombe - Frau am Kreuz
Der Fluss Doubs durchquert das Gebiet zwischen Montbéliard und Besançon mit zahlreichen Windungen, das wunderschöne Tal ist tief eingeschnitten zwischen den Höhenzügen der Jura-Berge. Auf halbem Weg liegt der schöne kleine Ort Baume-les-Dames. Der Kern des Städtchens hat sein mittelalterliches Gepräge mit zahlreichen schönen Bürgerhäusern bewahrt. Außerhalb der ehemaligen Stadtmauer, heute oberhalb der Bahnlinie, liegt der Friedhof. Über all den vielen Gräbern erhebt sich eine kleine spätgotische Kapelle, mit einem hübschen Giebelportal aus Holz gebaut. Darin ist ein ganz besonderer Kunstschatz erhalten, eine rätselhafte Frau am Kreuz.
Über einer kleinen Nische an der Seitenwand hängt die rätselhafte Statue der heiligen Acombe. Sie ist dargestellt mit großem Bart, der Teile des Gesichts verdeckt. Die junge Frau ist voll bekleidet mit langem Gewand, Acombe ist mit Seilen an ein Kreuz gefesselt. Diese bemalte Steinstatue stammt aus der Mitte des 15. und 16.Jahrhunderts. „Dieses Bild der heiligen Acombe wird noch heute in Baume sehr verehrt, die Menschen pilgerten von weit her dorthin“ schreibt Charles Thuriet. Er war Schriftsteller aus Baume und hatte 1891 die Sagen und Legenden aus der Region Doubs gesammelt. Charles Thuriet beschreibt weiter die lokale Überlieferung: „Acombe war schön, zu schön sogar. Der Sohn des Königs verliebte sich in sie, als er sie sah. Er war Heide, sie Christin. Sie wollte den Worten des Heiden kein Gehör schenken, obwohl ihr Vater sie aus Angst oder Ehrgeiz dazu drängte. Eines Tages, als der Heide Acombe auf dem Land mit noch größerer Beharrlichkeit verfolgte, um sie seinen verbrecherischen Absichten gefügig zu machen, bat sie Gott, ihr diese gefährliche Gabe der Schönheit sofort zu nehmen, da sie sonst zu einer Falle für ihre Tugend werden könnte. Ihr Gebet wurde erhört, und in dem Moment, als der Sohn des Königs, dessen Kühnheit bis zur Gewalt reichte, seine unreinen Lippen dem himmlischen Gesicht von Acombe näherte, erstrahlte dieses Gesicht. Ein blitzschneller Schlag nahm dem Waghalsigen das Augenlicht, und ein grässlicher Bart, wie die Borsten eines Wildschweins, bedeckte das Gesicht der Heiligen. Sie wurde von den barbarischen Soldaten des Heiden aus Bosheit an einen Baum am Straßenrand gekreuzigt.“ Die mündliche Überlieferung von Baume fügt hinzu, dass die Heilige links von der Kapelle des Heiligen Grabes, ganz in der Nähe der Außenwand der Mauer, begraben wurde.
Eine ‚Heilige Acombe‘ ist ausschließlich in Baume-les-Dames bekannt. Doch diese Legende der ‚Heiligen Acombe‘ erinnert an zahlreiche Legenden, die von Kümmernis oder Wilgefortis erzählt werden. Eine historische Person ist nirgendwo nachweisbar. Als heilige Wilgefortis (virgo fortis) wurde sie 1583/86 ins Martyrologium Romanum aufgenommen, inzwischen aber wieder gelöscht. Ihr Gedenktag ist der 20.Juli. Ob Sankt Caritas, Comera, Cumerana, Eutropia, Hilfe, Hulpe, Hülpe, Liberata, Liberatrix, Ontcomera, Ontkommene, Ontkommer, Gwer, Sainte Affligée – gemeint war immer die Kümmernis/Wilgefortis, eine „mythologische Volksheilige fraulicher Sorge und Abwehr”. Verehrt wurde sie von vielen Frauen, zeitenweise soll ihr Kult wichtiger gewesen sein als die Anbetung von Maria. Erste Darstellungen der Kümmernis aus dem 14.Jahrhundert sind bekannt, die Verehrung verbreitete sich im Barock, wurde im 18.Jahrhundert eingeschränkt und erlosch in Nordwesteuropa im 20.Jahrhundert. Spuren ihrer Verehrung findet man heute vor allem noch in Bayern und Tirol, im Schwarzwald mit zwei eindrücklichen Bildern in Hüfingen und in Löffingen.
Diese Friedhofskapelle heißt ‚Chapelle du Saint-Sépulcre‘, beim Betreten fällt als erstes ins Auge eine Grablegung aus dem 13.Jahrhundert. Die farbig bemalten Statuen aus Stein sind sehr ausdrucksvoll gestaltet. Der liegende Christus wird von Josef von Arimathäa und Nikodemus gehalten. Dahinter sieht man Jesu Mutter Maria, gestützt vom Apostel Johannes, daneben stehen die drei Frauen Maria Magdalena, Maria Jakobäa und Maria Salome. Auf der Vorderseite des Grabes sind Engel zu sehen, die Wappenschilder tragen, auf denen die Instrumente der Passion dargestellt sind, Symbole für das Leiden Christi. Diese Kapelle war 1540 von einem Einwohner von Baume, dem Kanoniker Claude Pignet, erbaut worden, um die an der Pest erkrankten Gemeindemitglieder aufzunehmen. Sie wurde 1970-1971 restauriert und diente bis vor kurzem als Begräbnisstätte für die Priester der Gemeinde, deren Namen noch heute auf den Grabplatten vor und in der Kapelle zu lesen sind.
Baume-les-Dames ist ein uralter Siedlungsplatz, das keltische Wort Balm bezeichnet eine Höhle oder einen überhängenden Felsen. Zur Römerzeit gab es hier eine kleine Siedlung mit dem Namen Balma. An diesem wichtigen Verkehrsweg von der Rhône an den Rhein gründete Germanus, Bischof von Besançon, um 400 eine Abtei. Sie entwickelte sich zum geistlichen Zentrum der Region und nahm hauptsächlich Mädchen aus Adelsfamilien auf. Deshalb entstand der Name Baume-les-Nonnes, der später in Baume-les-Dames abgeändert wurde. Die Abtei war der Odilia geweiht. Eine Legende erzählt, dass Herzog Eticho vom Elsass seine blind geborene Tochter Odilia töten lassen wollte. Die Mutter Bereswinde konnte sie aber retten und durch eine Amme in das Kloster Baume-les-Dames bringen. Durch einen Engel wurde Wanderbischof Erhard von Regensburg herbeigerufen, der Odilia im Alter von zwölf Jahren taufte. Durch ein Wunder wurde ihr das Augenlicht geschenkt. Sie kehrte bald darauf zu ihren Eltern zurück, musste aber wieder vor ihrem Vater fliehen und sich in einer Höhle verbergen. Später versöhnte sie sich mit ihrem Vater, der ihr ein Besitztum auf der Hohenburg im Elsass – dem späteren Odilienberg – zur Verfügung stellte, wo sie 690 ein Kloster gründete.
Durch zahlreiche Spenden war die Abtei Baume-les-Dames sehr reich geworden. Sie wurde von einer Äbtissin an der Spitze eines Kapitels geleitet, das aus fünfzehn Stiftsdamen bestand. Sie mussten ‚acht Viertel väterlichen und mütterlichen Adels nachweisen‘, das heißt erst nach vier Generationen im Adel durften sie aufgenommen werden. Sie hatten das Gelübde von Keuschheit, Armut und Gehorsam abzulegen. Die Stiftsdamen lebten um die Kirche herum in stattlichen Häusern, noch heute kann man die alte Pracht erahnen. Äbtissin Madame Angélique-Henriette d’Amas ließ 1738 die alten Gebäude abreißen, um einen monumentalen Neubau zu errichten. Architekt Nicolas Nicole aus Besançon baute im neoromanischen Stil, doch 1760 ging das Geld aus, der Kirchenbau stoppte. Das Langschiff wurde nach dem zweiten Joch mit einer provisorischen Mauer verschlossen. Daher sieht der heutige Bau so unproportioniert aus. In der französischen Revolution 1791 schloss die Abtei, das gesamte Inventar wurde verkauft. Die Gebäude wurden 1811 von der Stadt erworben, sie dienten viele Jahrzehnte als Lagerhaus, Getreidemarkt, Gemeindehaus, Kino, Garage. Seit 2001 führt die Gemeinde ein umfangreiches Sanierungsprojekt durch, um die Abteikirche in ihrem alten Glanz wiederherzustellen. Das Ergebnis ist erstaunlich, und das Gebäude hat sich zu einem Kulturzentrum entwickelt und bietet Platz für Konzerte, Ausstellungen, Live-Auftritte und mehr.
Außerhalb der Stadt sind die Täler und Berge des Jura ein traumhaftes Reiseziel. Auf zahlreichen Wanderwegen lässt sich die Natur genießen. Die Kalkfelsen der Juraberge bieten abenteuerliche Kletterrouten. Manche Karsthöhle kann man entdecken, einige mächtige Karstquellen sind ein faszinierendes Naturwunder. Der Fluss Doubs ist schiffbar und die alten Treidelwege laden ein zu kleinen und großen Fahrradtouren. Auch der EuroVelo 6 von Nantes ans schwarze Meer führt hier vorbei…













