Columban und die drei Klöster
Am südlichen Fuß der Vogesen, am Rande des „Parc régional des Ballons des Vosges“ liegt Luxeuil-les-Bains. Der Name stammt vom gallischen Gott Luxovius, dem damals ein Heilbad gewidmet war, seine Ehefrau war die gallische Göttin Bricta oder Brixta. Mehr als ein Dutzend warmer Quellen (43–63 °C) luden bereits die Kelten und Römer zum Baden ein. Im 18. Jahrhundert wurde hier das älteste Thermalbad Frankreichs erbaut. Das heute modern eingerichtete historische Thermalgebäude liegt in einem Park im Norden der Stadt. In dieser schönen Kleinstadt schaffen zahlreiche Stadthäuser aus dem 15. und 16.Jahrhundert ein wunderbares Flair. Die Altstadt wird überragt von der romanisch-gotischen Basilika Saint-Pierre aus dem 13. Jahrhundert mit einem schönen Kreuzgang. Im Inneren trägt eine Atlasstatue die riesige barocke Orgelempore. Die Abtei geht zurück auf die Gründung durch Columban den Jüngeren um 590, sie wurde zum Ausgangspunkt einer großen Missionsbewegung durch irische Mönche, welche ganz Europa veränderte.
Columban wurde um 540 im Osten Irlands geboren, er trat später in die Gemeinschaft des Klosters von Bangor am Loch Belfast ein. Entsprechend dem asketischen Ideal der Pilgerschaft, dem „weißen Martyrium“, verließ er seine Heimat gegen 590 mit zwölf Begleitern. Ihr Boot landete in der Bretagne und die kleine Truppe machte sich auf den Weg nach Gallien.
„Damals gab es eine weite Einöde mit Namen Vogesen, in der eine längst zerstörte Burg lag, von alters her Annegray genannt. Als der heilige Mann hierhin gekommen war, ließ er sich trotz der rauen Einsamkeit, der Wildnis und Felsen daselbst mit den Seinigen nieder, zufrieden mit geringem Unterhalt, eingedenk des Spruches, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebe, sondern vom Wort des Lebens gesättigt Speise die Fülle habe und in Ewigkeit nicht mehr hungern werde. Als nun die Zahl der Mönche sehr wuchs, suchte er in derselben Einöde nach einem besseren Ort für sein Kloster. Und er fand einen vormals stark befestigten Platz, der von dem ersten Ort etwa acht Meilen entfernt lag und in alten Zeiten Luxovium hieß. Hier waren warme Bäder mit besonderer Kunst eingerichtet; eine Menge steinerner Götzenbilder stand in dem nahen Wald, die in den alten Heidenzeiten durch abscheuliche Bräuche verehrt wurden. Wilde Tiere, Bären, Büffel und Wölfe gab es da in Scharen. Hier also begann der treffliche Mann ein Kloster zu gründen. Bei der Kunde davon strömte von allen Seiten Volk herzu, um sich ganz der Übung der Religion zu weihen, so dass die große Menge der Mönche kaum daselbst Raum hatte. Als dies Columban erkannte, suchte er einen andern Platz aus, der sich durch seinen Reichtum an Wasser auszeichnete und gründete ein drittes Klosters, dem er den Namen Fontaine gab, setzte auch Männer über dasselbe, an deren Gottesfurcht niemand zweifelte. Wie er nun die Scharen der Mönche an diesen Orten untergebracht hatte, hielt er sich abwechselnd in jedem auf und setzte erfüllt vom Heiligen Geist die Regel fest, nach welcher sie leben sollten.“ So schreibt Jonas von Bobbio in seiner Heiligenvita, die er schon 30 Jahre nach dem Tod des Columban verfasste.
Der Erfolg des Columban war grandios. Schon in den ersten Jahren strömten vor allem Mitglieder des fränkischen Adels in die drei Klöster, mehrere 100 sollen es gewesen sein. Nach einer Zeit der Ausbildung zogen diese aus um weitere Klöster zu gründen. Mehrere 100 Klöster wurden so in wenigen Jahrzehnten gegründet, alle auf dem Land. Columban hatte eine neue Regel für das Klosterleben aufgestellt: Faste täglich, bete täglich, studiere täglich, arbeite täglich. Diese Regel wurde durch die Benediktiner weiter entwickelt und gilt bis auf den heutigen Tag. Das Bedürfnis nach Bildung und Ausbildung in Handwerk und Landwirtschaft war auf dem Lande riesengroß, die neuen Klöster versorgten damit die Menschen. Viele antike Schriften waren auf dem Festland in der Völkerwanderung zerstört worden, in Irland waren sie erhalten. Nun brachten Iren sie von der Insel mit und in den Schreibstuben der neuen Klöster wurden sie vervielfältigt. Viele Regionen in West- und Nordeuropa erhielten durch die Mönche erstmals eine Schriftkultur und Zugang zu antiker Bildung. Die fränkischen Herrscher unterstützten gerne diese Bewegung, weil der wirtschaftliche Aufschwung und die gemeinsame religiöse Basis ihre Macht festigten. Die neuen Klöster waren sehr eigenständig organisiert, sie entsprachen damit der irischen und germanischen Stammeskultur. Dadurch entstanden aber viele Konflikte mit der uralten gallisch-römischen Machtelite in den Städten, vor allem in südlicheren Regionen Galliens. Diese Bischöfe schafften es schließlich im 9. und 10. Jahrhundert mit Hilfe der angelsächsischen Mission unter Bonifatius, die irischen Klöster und deren Äbte zu entmachten. Doch der Grundstein zu einem christlichen Europa war gelegt.
Annegray gehört heute zur Gemeinde La Voivre, sehr wenige Ruinen sind noch sichtbar. Fontanas ist heute Fontaine-les-Luxeuil, im ehemaligen Refektorium der Mönche wurde 1895 eine Gießerei eingerichtet. Das Kloster Luxeuil wurde 1790 aufgehoben, die Abteikirche ist heute Pfarrkirche.
Nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs traf sich eine Gruppe von Staatsmännern und Gelehrten aus ganz Europa, darunter auch Robert Schuman, französischer Außenminister, in Luxeuil-les-Bains, um den 1.400sten Jahrestag der Geburt des Heiligen Columban zu begehen und Pläne für die Zukunft Europas zu diskutieren. Die Gründung der modernen Europäischen Union kann auf dieses Treffen zurückgeführt werden.
Columban als Schutzpatron Europas?