Epomanduodurum
Auf der Reise von Basel nach Südwesten kommt man durch die sanfte Hügellandschaft des Sundgaus. Im Norden erheben sich die Berge der Vogesen, im Süden sieht man die Kette des Jura. Die burgundische Pforte ist der Sattel, der das Becken des Rheins trennt vom Becken der Rhone. Diese Wasserscheide wird vom Rhein-Rhône-Kanal mit vielen Schleusen überwunden. Der Fluss Doubs fließt nördlich aus dem Jura heraus, dann macht er eine große Wende nach Südwesten. Hier liegt das ehemalige württembergische Städtchen Mömpelgard (Monbéliard). Heute sind die Orte Monbéliard, Sochaux, Audincourt und Mandeure zu einem einzigen Großraum zusammen gewachsen, geprägt von großen Betrieben der Automobilindustrie. Am südlichen Rand dieses gewaltigen Ballungsraumes steht man völlig überraschend vor den Ruinen eines großen römischen Theaters. Es ist das zweitgrößte Theater Galliens und der einzige sichtbare Überrest der gallorömischen Stadt Epomanduodurm.
In der gallischen Provinz der Sequaner mit der Hauptstadt Vesontio (Besancon) war Epomanduodurum damals die zweitwichtigste Stadt. Sie liegt eingeschmiegt in eine große Schlaufe des Doubs, der Fluss war bis hierhin schiffbar. Die große römische Hauptstraße von Lugdunum (Lyon) über Vesontio an den Rhein bei Cambete (Kembs) und weiter nach Argentoratum (Straßburg) oder Augusta Raurica (Augst) verlief hier durch. Eine weitere Straße führte über den Jura nach Aventicum (Avenches). Dieser wichtige Verkehrsknoten entwickelte sich im 1. Jahrhundert n.Chr. zu großer Blüte, davon zeugen die Reste dieses monumentalen Theaters mit 142m Durchmesser. Allerdings ist nur noch das Skelett erhalten, denn seine Fassaden und die Bühne sind seit der Spätantike bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts fast vollständig verschwunden, geschändet oder vandalisiert. Erst 1819 entdeckt gab es seitdem immer wieder Grabungen. 4 Ränge lehnen sich an den Hügel, darauf fanden 18.000 Zuschauer Platz, die Westfassade war über 30 Meter hoch.
Alle anderen Teile der antiken Großstadt liegen verborgen unter der heutigen Bebauung. Mit viel Phantasie und mit der Hilfe der modernen Archäologen kann man sie wieder auferstehen lassen: Das Straßennetz wurde rekonstruiert einschließlich mehrerer Brücken über den Doubs. Badeanlagen mit Heiligtum gab es in Courcelles im Osten, Handwerkerviertel auf der anderen Seite des Flusses. Im dritten und vierten Jahrhundert wurde der Brückenkopf befestigt mit Kastell und Wehrmauer. Die wichtigste aktuelle Entdeckung aber war der große heilige Bezirk direkt gegenüber dem Theater. Solche Kulträume, die um ein Theater herum organisiert sind und aus mehreren Tempeln bestehen, die von Altären, Kapellen oder Nebengebäuden begleitet werden, verbunden durch Prozessionswege, sind in Gallien und Germanien gut bekannt. Von der Größe und Ausstattung her ist er mit den großen religiösen Anlagen von Augusta Raurica (Augst, Schweiz), Aventicum (Avenches, Schweiz) und Nasium (Naix, Lothringen) vergleichbar. Die Vielfalt der Gebäude spiegelt die Komplexität des gallorömischen Pantheons wieder mit Merkur, Mars, Bellona, Minerva und anderen. Viele Funde zeigen auch an, dass schon zu keltischen Zeiten hier ein wichtiges Heiligtum stand. So verdankt Epomanduodurum seine Bedeutung dem Einfluss dieses Heiligtums, das es zu einem der wichtigsten religiösen Zentren der Region macht. Sie ist einem Gott gallischen Ursprungs geweiht, der in der römischen Kaiserzeit dem Mars gleichgestellt wurde.
Von den oberen Rängen des Theaters hat man einen wunderbaren Blick über das Tal des Doubs. In der Biegung des Doubs gab es schon menschliche Siedlungen während der Bronzezeit (-2300/-800) und der ersten Eisenzeit (-800/-400). Im Süden kommt der Fluss aus den Bergen, die Verkehrswege führten dort zu den Erzlagerstätten im Jura. Gegenüber im Gemeindewald von Mathay fand man 2006 einen einzigartigen Schatz aus der Bronzezeit: Eine Terrakotta-Urne, die 25 cm unter dem heutigen Boden vergraben war, enthielt mehr als 2500 Objekte, Gürtel, Anhänger, Armbänder, Fußkettchen, Ringe, Serien von kleinen Ringen. Einige außergewöhnliche Objekte spiegeln den Reichtum wieder, wie z.B. Halsketten aus Gold, Bernstein oder blauen Glasperlen, sowie kunstvoll mit Blattgold überzogene Platten und sieben vergoldete Hohlkugeln, die Kleidung oder Haare schmückten. Vermutlich war es zeremonieller Schmuck einer hochgestellten Frau, der vielleicht nach ihrem Tod als Opfergabe an Gottheiten vergraben wurde. Die Andeutung einer Sonnensymbolik durch die Goldobjekte, sowie die Darstellung des Mythos des Sonnenbootes können auf den Status einer Priesterin und einen Votivcharakter dieses Depots hinweisen. Dieses „Depot von Mathay“ unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors des Doubs-Tals im 11. Jh. v. Chr. durch die Anwesenheit einer Elite, die in der Lage war, solch hochwertige Objekte zu erwerben.
Aus ganz anderer Zeit stammt die kleine Kapelle „Notre Dame de Bon Secours“ oberhalb des Theaters. Sie wurde nach dem französisch-preußischen Krieg 1870 gebaut zum Dank für die gesunde Heimkehr der 72 Soldaten der Gemeinde.