Wunder aus Glas für Florentius
Von Straßburg führen uralte Verkehrswege durch das Breuschtal über den Col de Saales nach Oberlothringen. Am Beginn der Berge, kurz hinter Molsheim, kommt man nach Niederhaslach. Das kleine Dorf überrascht mit einer großen majestätischen Kirche, nach dem Straßburger Münster eine der schönsten gotischen Kirchen des Elsass.
Die Gründung eines Klosters an diesem Ort im 7. Jahrhundert geht zurück auf Florentius. Der iroschottische Wandermönch lebte zunächst mit Arbogast, Hildulf und Deodat im Wald bei Haguenau, kam später ins Haseltal, wo er sich am Fuße des Ringelsbergs in einer Einsiedlerzelle niederließ. Er säte einen kleinen Garten, er gebot allen wilden Tieren, dass sie nicht in seinem Garten weideten – so erzählt die Legende. Die Jäger des Königs hielten ihn für einen Zauberer, bedrohten und beraubten ihn. Auf dem Heimweg versanken sie mit ihren Pferden im Sumpf, Florentius aber rettete sie. König Dagobert, der in einiger Entfernung auf Burg Kirchheim weilte, hörte von den Wundern. Er bat Florentius, seine Tochter Rathildis zu heilen, die von Geburt an blind und stumm war. Der nahm seinen Esel und ritt zum Schloss. Als er noch einige Meilen von der Burg entfernt war, wurde Rhatildis gesund, sie konnte ihn sehen und kündigte allen das Kommen des heiligen Mannes an. Damit niemand an dem Wunder zweifeln konnte, vollbrachte Florentius ein zweites Wunder. Er nahm seinen Mantel und hängte ihn an einen Sonnenstrahl, der durch das Fenster eindrang. Zum Dank schenkte König Dagobert dem Florentius große Ländereien, um ein Kloster in Haslach zu gründen. Szenen dieser Legende sind in einem Fenster und im Bogenfeld des Westportals dargestellt.
An der Stelle eines baufälligen Vorgängerbaus aus dem 7. Jahrhundert baute man ab 1274 eine neue Kirche. Architekt war Gerlach von Steinbach, der Sohn Erwin Steinbachs, des berühmten Erbauers des Straßburger Münsters. Diese Stiftskirche St. Florentius wurde 1383 vollendet, im Bauernkrieg 1525 geplündert, im 30jährigen Krieg 1633 von den Schweden angezündet, im österreichischen Erbfolgekrieg lagerten 1744 ungarischen Söldner in der Kirche, 1778 im bayrischen Erbfolgekrieg als Pferdestall missbraucht. In der Revolution wurde das Kloster geschlossen, der wertvolle Kirchenschatz eingezogen, die Kirche wird Pfarrkirche.
Umso mehr verwundert, dass ein unglaublich schöner Schatz erhalten geblieben ist: Die Kirche besitzt nach dem Straßburger Münster die größte Anzahl mittelalterlicher Original-Glasmalereien im gesamten Elsass. Schiff und Chor bieten 17 große und vollständige Fenster aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die Leuchtkraft ihrer Rot- und Blautöne und der Reichtum der Darstellungen sind unglaublich faszinierend. Das Leben von Jesus und Maria, Szenen aus dem Leben von Heiligen sind dargestellt, die Meister der Glasmalereien sind unbekannt.
Florentius wurde später zum Bischof von Straßburg berufen, nach seinem Tod wird er zunächst im Kloster St. Thomas bestattet. Am 7. November 810 lässt Bischof Rachio die Gebeine nach Haslach überführen. Das Translationsfest zum Gedächtnis wird bis auf den heutigen Tag gefeiert. Das Grab des Heiligen wird alsbald zu einer der bedeutendsten Wallfahrtstätten des Unterelsass. In der kleinen Florentius-Kapelle in Oberhaslach zeugen zahlreiche Votivbilder von der Verehrung dieses großen Heiligen der Vogesen.
In den Wäldern oberhalb des Ortes führen Wanderwege zu Wasserfall und Burgruine Nideck. Die Sage von Nideck im Werk der Brüder Grimm inspirierte Adelbert von Chamisso zum Gedicht „Das Riesenfräulein“.