Quelle, Kapelle und Gastlichkeit
Dieses wundervolle Plätzchen mit Kapelle und ehemaligem Bruderhaus in einer stillen Waldlichtung zwischen Oltingue und Liebenswiller ist ein Wallfahrtsort besonderer Art. Einmal im Jahr, am Pfingstmontag, wird die Kapelle mit ihrem zierlichen Barockaltar zum religiösen Mittelpunkt der Umgebung. Der Aussenaltar, eine grosse Besonderheit, wird für die Messe im Freien geöffnet, die um zehn Uhr beginnt. Wenn es Petrus will, erhellt die wärmende Morgensonne das kleine Heiligtum, während auf der Wiese friedlich ein paar Ponys grasen. Das Publikum ist bunt gemischt: Kirchgänger aus den umliegenden Dörfern, Spaziergänger, die zum Frühstück hierher gekommen sind oder Fahrradfahrer, die eine Pause einlegen. Eine friedliche Gemeinschaft, die St. Bricius die Ehre erweist.
Um Saint-Brice gibt es eine Reihe von Legenden, die schriftlichen Quellen sind jedoch dürftig. Noch im 17. und 18. Jahrhundert ist für Rodersdorf eine Prozession zum St. Bricius nach dem morgendlichen Gottesdienst am Pfingstmontag und auch an Philipp und Jakobi (dem 1. Mai) bezeugt. Bis 1773 fand am Pfingstdienstag auch ein Markt statt. Saint-Brice wurde vor allem bei körperlichen Leiden aufgesucht. Unzählige Votivgaben, meist aus Blech, etwa Arme, Beine, schwangere Frauengestalten und Kröten, als Symbole der Gebärmutter, hat man 1910 auf dem Dachboden der Kapelle gefunden. Sie befinden sich heute im archäologischen Museum von Strassburg. Grabungen an der Ostseite der Kapelle haben vier Bestattungen zum Vorschein gebracht, die in die Zeit zwischen 900 und 980 datiert werden. Saint-Brice lag früher an einem wichtigen Durchgangsort, einer Römerstrasse, die auf der Anhöhe nordwestlich des Leimentals von Allschwil bis nach Oltingue führte, wo sie in die grosse Hauptverbindung von Kembs nach Besançon mündete. Vielleicht war der Ort schon damals eine Kultstätte und die heute noch den Brunnen von Saint-Brice speisende Quelle Anlass für eine Station, an der man sich laben konnte.