Straßburger Bäcker pilgern zu Maria
Zwischen Straßburg und Colmar, Ill und Rhein erstreckt sich das Überschwemmungsgebiet des ‚Grand Ried‘ mit seinen Feuchtwiesen und Auenwäldern. Zahlreiche Wasserläufe durchziehen diese einzigartige Naturlandschaft, in der unzählige seltene Tier- und Pflanzenarten beheimatet sind. Das bestimmende Element des Grand Ried ist das Wasser, das im Rhythmus der Jahreszeiten poetische Landschaften formt. Hier zeigt sich das natürliche und lebendige Elsass von seiner schönsten Seite. Mitten drin liegt der älteste Marienwallfahrtsort des Elsass, ‚Maria zur Aych bei Plobsa‘.
Es ist ein idyllisches Plätzchen unter einigen alten schattigen Eichenbäumen, wenige Schritte entfernt der Rhein-Rhône-Kanal. Gelegentlich tuckert ein kleines Boot vorbei oder ein paar Radler ziehen nach Norden gen Straßburg auf dem gut ausgebauten Treidelweg.
August Stöber schreibt in den ‚Sagen des Elsass‘ über Maria in der Eich: „Es waren einst Knaben auf der Weide, im Walde, welcher sich zwischen Wittenheim und Ruelisheim hinzog, und von welchem jetzt nur noch ein sehr kleiner Teil übriggeblieben ist. Da sahen sie plötzlich gegen Abend, in einiger Entfernung von ihnen, einen alten Eichbaum in hellen Flammen stehen. Derselbe brannte hinab, bis auf den untern Teil des Stammes, aus welchem sich ein Marienbild erhob. Die Stätte wurde alsbald für heilig erklärt und eine Kapelle über den Eichenstamm mit dem wunderhaften Gnadenbilde gebaut. Zu demselben nehmen Kranke aller Art, besonders aber Frauen ihre Zuflucht, welche um eine glückliche Entbindung flehen.“
Schon 1351 wird von einer Kapelle berichtet, zerstört im 100jährigen Krieg durch Armagnaken. Über den Wiederaufbau erzählt die Legende, dass der Ritter Adam Zorn von Plobsheim auf dem Kreuzzug in einer Schlacht die Mutter Gottes um Errettung seines Lebens anflehte und ihr dafür zum Dank eine Kapelle bauen wollte. Daheim vergaß er sein Versprechen, da erschien ihm Maria während der Wildschweinjagd. Als Adam Zorn sich dann ans Werk machte, um die Steinkapelle zu errichten, wollte er sie an den Eingang der Obergasse stellen. Er ließ das Baumaterial an dieser Stelle auf dem Himmeryboden ansammeln. Wie man aber an die Ausführung des Baues schreiten wollte, war alles verschwunden und das Material lag an der Stelle der heutigen Kapelle, die so dort gebaut wurde.
Vermutet wird hier ein uraltes keltisches Heiligtum. Der hanau-lichtenbergische Amtsmann Bernhard Hertzog schreibt im 16.Jahrhundert: „Also von den heydnischen Priestern Druyden genant welche gemeinlich bey geheyligten un gebauten Eychen gepflegt sich auff zuhalten un jhre opffer unn Gottesdienst zu verrüchten, ist etwan vorzeiten allein mit einer Hütten bedeckt gewesen, und war der Altar in den Eychbaum geschnitten, hernach hat Her Adam Zorn Ritter ein Kirchlein dahin gebawen, und seind vorzeitten vil Walfarten dahin gangen, wie dann auch die Beckenzunfft von Strassburg etwan mit fliegendem Fanen jährlichs dahin gezogen sein sollen.“
In der Kirche erblickt man hinter dem Hochaltar einen Baumstamm, in dem Maria sitzt mit dem segnenden Jesuskind auf dem Schoß. An die Kirche angebaut ist die Wohnung eines Eremiten oder „Waldbruders“. Später wohnte der „Kapelles“ hier, der Behüter und Beschließer der Kapelle. Zur Zeit wohnt ein „Kapelles“ auf einem Wohnboot, der ehemalige Penichenfahrer liegt schon seit einigen Jahren hier vor Anker.
Seit Jahrhunderten ist die Kapelle Ziel von Wallfahrten, bis zur Revolution zogen alljährlich auch die Bäcker von Straßburg zu Maria. Heute gibt es Jugendwallfahrten, Segnung der Schiffe, beliebt ist der wunderbare Ort für Taufen und Hochzeiten.
Vom Rhein-Rhône-Kanal ist heute die ‚Branche Nord‘ bis Straßburg schiffbar, welche südlich von Rhinau vom Rhein abzweigt. Die ‚Branche Sud‘ bis Niffer wurde 1960 stillgelegt nach dem Ausbau des Grand-Canal-d’Alsace. Der alte Treidelpfad ist hervorragend ausgebaut für Fahrradfahrer, ein Teil des Eurovelo 15, der von der Quelle bei Andermatt bis zur Mündung im Rheindelta führt.