Kain und Abel am Grab des Offo in der Reichsabtei Schuttern
Auf der Reise durch die Ortenau grüßt von Ferne schon der Kirchturm von Schuttern, höchster Kirchturm in Südbaden, nur das Freiburger Münster ist höher. Die barocke Pfarrkirche Maria Himmelfahrt ist der einzige Überrest der ehemaligen Reichsabtei Schuttern. Wenn man den Klosterplan aus der Mitte des 18. Jhdt. betrachtet, kann man gut erahnen, welche Bedeutung und Schönheit die ehemalige Benediktiner-Abtei einmal hatte.
Die Gründung des Klosters liegt im Dunkeln, im Jahre 603 soll der iroschottische Mönch Offo eine Zelle gegründet haben, die nach ihm ‚Offoniswilare‘ oder ‚Offoniscella‘ benannt ist. Die deutet auf enge Beziehungen ins Elsass und die dortige Wirkung der iroschottischen Mission hin. Am Platz des Klosters selbst bestand eine römische Siedlung, wohl eine größere und repräsentativ ausgestattete Villa rustica des 4. nachchristlichen Jahrhunderts. Über dem Grab des Offo wurde im 8. Jahrhundert ein erstes Kloster errichtet, Zerstörungen durch Krieg und Brand wechselten sich ab mit Um- und Neubauten. Unter der heutigen barocken Kirche von 1772 ist das dokumentiert und sichtbar in den Ausgrabungen der 1970er-Jahre. Und dort mitten drin liegt ein ganz außerordentliches Kunstwerk und ein großes Rätsel: Über dem vermutlichen Grab des Offo liegen Reste des ältesten original erhaltenen Fußbodenmosaiks im deutschen Raum. Dargestellt ist der Mord von Kain an seinem Bruder Abel. Nur wenige Worte einer Inschrift sind erhalten, welche aus einem Laurentiusgebet stammen könnten. Darin wird eine Verbindung hergestellt vom Brandopfer des Abel zum Brandopfer des Laurentius während seines Martyriums. Ein eigenartiger und seltener Gedanke. Über dem Mosaik stand ein Märtyreraltar, gewidmet dem Laurentius. Die Nachbarorte Kürzell und Friesenheim gehörten schon vor 900 Jahren dem Kloster Schuttern und tragen das Patrozinium St. Laurentius. Sehr bedeutend war damals die Verehrung des Laurentius nicht nur in Schuttern. Die gefürchteten Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert konnte Kaiser Otto I. am Laurentiustag endgültig beenden mit der siegreichen Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg am 10. August 955.
Der letzte große Höhepunkt in Schuttern war die Brautfahrt der österreichischen Erzherzogin Maria Antonia, am 6.5.1770 übernachtete sie hier im Kloster. Das 14jährige Mädchen wurde von 257 Personen, 57 Wagen, 450 Zug- und Reitpferden begleitet. Der Brautzug, bestehend aus Fürsten, Grafen, Gräfinnen, Hofdamen, Lakaien, Knechten und dem persönlichen Beichtvater der Braut reiste 1500 Kilometer in 24 Tagen von Wien nach Versailles. Nach der alten Devise „Tu felix austria nube“ war die Hochzeit zwischen Habsburg und Frankreich arrangiert worden zur politischen Annäherung der beiden Reiche. Die Brautfahrt war eine gigantische Propagandaaktion der beiden absolutistischen Herrscherhäuser. Städte, Dörfer, Straßen und Klöster wurden hergerichtet, die Bevölkerung stand Spalier, unzählige Festakte wurden organisiert, die immensen Kosten dafür mussten die Gemeinden jeweils selbst tragen. Am 16.5.1770 fand die Trauung statt, 1774 bestiegen Ludwig XVI und Marie-Antoinette den Königsthron. Nur 15 Jahre später begann 1789 die französische Revolution, 1793 starben beide unter der Guillotine. Nach den napoleonischen Kriegen bedeutete die Säkularisation 1806 das Ende der Abtei Schuttern, fast alle Gebäude wurden abgerissen.