Ahnenkult im Eggwald
Etwa vier Kilometer südwestlich des Fürstengrabes „Magdalenenbergle“ befindet sich im Eggwald ein frühgeschichtlicher Friedhof. Erst zu Beginn der 1980er Jahre wurde diese einzigartige Grabanlage entdeckt und ausgegraben.
Auf der Strasse von Pfaffenweiler nach Tannheim biegt man zum Binsenhof ab, nach einem knappen Kilometer zeigt ein Schild zu den „Merowingergräbern“, nach wenigen Schritten zeigt sich linker Hand eine kleine Lichtung mit der restaurierten Grabanlage. Steinkistengräber sind in den anstehenden Felsen hineingehauen, mit Steinen trocken ausgemauert, mit großen Sandsteinfelsen waren sie abgedeckt, Steinkreise deuten die ehemaligen Grabhügel an. Innerhalb der Grabungsgrenzen fanden sich neun Gräber, alle in gleicher Art errichtet, alle in Ost-West-Richtung angelegt. Man fand Gräber für Kinder und Erwachsene, Mehrfachbelegungen und Nachbestattungen. Alle Bestattungen waren alt beraubt, daher gab es nur sehr wenige Grabbeigaben, doch lassen diese eine Datierung von etwa 700 bis in das späte 9. Jahrhundert zu.
Dreht man sich um, sieht man auf der anderen Seite des Weges nur dichten Wald, doch eine große Hinweistafel berichtet von weiteren archäologischen Funden. Im Unterholz, stark überwuchert, kaum erkennbar, liegt ein weiterer Grabhügel – doch aus einer ganz anderen Zeit! Er stammt aus derselben frühkeltischen Epoche wie der Grabhügel auf dem Magdalenenberg, aus der Hallstattzeit, etwa 700 bis 450 v.Chr.. Bei der Entdeckung war der Grabhügel völlig verschliffen, die Wölbung im Gelände ließ sich nur noch erahnen. Ausgrabungen zeigten, dass der Hügel ursprünglich nur über einer einzelnen Brandbestattung errichtet worden war. Der Tote war auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden, die Asche in einer Urne geborgen und in einer Holzkammer niedergestellt. Geschirr war dem Grab beigefügt, welches wohl ursprünglich Speise und Trank enthalten hatte. Kurze Zeit später wurde der Hügel für weitere Bestattungen genutzt, man fand drei Körpergräber aus der jüngeren Hallstattzeit für Frauen einer sozial höher gestellten Schicht. Sie waren bestattet ähnlich wie man es vom Magdalenenberg kennt, zu ihrer reichen Trachtausstattung gehörten Ledergürtel, aus Bronze getriebene Armbänder, dazu Ohrringe, Halsringe und Haarnadeln aus Bronze. Mehr als 1400 Jahre später wurde dieser Hügel erneut als Begräbnisstätte genutzt, aus der Merowinger-Zeit fand man zwei weitere Gräber. Die Toten waren im 9. Jahrhundert im Hügel beerdigt worden, ohne die alten Gräber aus der Hallstattzeit zu stören.
Diese besondere Ort im Eggwald wurde also von zwei ganz unterschiedlichen Kulturen als Begräbnisplatz genutzt. Was mag das bedeuten? Unten im Brigachtal in Kirchdorf steht die uralte Pfarrkirche St. Martin. Schon im 6./7. Jahrhundert nach Christus hat bei der Kirche ein alamannischer Bestattungsplatz gelegen. Weshalb wurden trotzdem einige Menschen, einige Familien, hier oben bei den keltischen Grabhügeln bestattet? Welche Beziehung hatten diese Menschen zu den alten Grabhügeln? Ob hier ihre „ehrwürdigen Vorfahren“, ihre Ahnen lagen?
Die große Bedeutung der Beziehung zu den Ahnen zeigt eine Legende von der Christianisierung der Friesen in der Vita Vulframni. König Radbod hatte sich zum Religionswechsel entschlossen, durch die Taufe war ihm das ewige Leben bei Christus im Himmel versprochen worden. Auf Nachfragen erklärte ihm der Bischof, dass alle seine ungetauften Vorfahren sich in höllischer Verdammnis befänden. Da verweigerte der König die Taufe und erklärte, „er könne nicht die Gemeinschaft seiner ihm vorausgegangenen Friesenfürsten entbehren, nur um mit einer kleinen Schar armer Leute in jenem Himmelreich zu sitzen.“