Der Lebensbaum mit dem Einhorn
Einer geheimnisvollen Legende kann man im hübschen Winzerdorf Bischoffingen am Kaiserstuhl auf die Spur kommen. Sie zeigt sich in einem gotischen Wandbild, das in der ummauerten St. Laurentius-Kirche zu entdecken ist: der grosse Lebensbaum im Chor auf der linken Seite des zentralen Fensters. Er verkörpert die Welt, wie es an seinem Fuss geschrieben steht. Aus kräftigem Wurzelwerk wächst er empor, doch sein irdisches Dasein wird nicht ewig dauern, nagt an ihm doch der Zahn der Zeit, verkörpert durch zwei unaufhörlich knabbernde Mäuse – eine Mahnung an die Vergänglichkeit. Die weisse Maus verkörpert den Tag, die schwarze die Nacht – zusammen werden sie den Baum, wenn die Zeit abgelaufen ist, zu Fall bringen. Darüber springt behende ein Einhorn in die Höhe – hier offenbar Symbol für die (Todes-)Angst, wie es in gotischer Schrift zu lesen ist. Die Geschichte lässt sich auf verschlungenen Wegen zurückführen auf Buddha-Legenden aus dem 6. Jh. vor Christus, die über eine griechische Version ins Abendland gelangt sind.
Auch unter den übrigen Wandgemälden in der heute evangelischen St. Laurentius-Kirche sind viele Kostbarkeiten zu entdecken. So findet man an der zentralen Chorwand den Kirchenpatron St. Laurentius und den Pilgerheiligen St. Jakobus d. Ä. mit Rucksack und Muschel am Hut. Besonders eindrücklich sind auch die Darstellungen der Passion Christi, der Propheten des Alten Testaments und der Abendländischen Kirchenväter.