Fest der Kräuterbüschel für Maria
Besonders reizvoll ist ein Besuch in Gengenbach am Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August, wenn die Frauen aus der ganzen Umgebung ihre grandiosen ‹Kritterbuschel› in der Marienkirche weihen lassen und anschliessend zur Prämierung auf den Marktplatz kommen.
Tage zuvor werden an Feldrainen, auf Wiesen und in Gärten Kräuter und Blumen gepflückt und kunstvoll zu Sträußen gebunden. Nur eine bestimmte, ungerade Zahl an Kräutern, geschuldet der christlichen Zahlenmystik, darf in den Strauß eingebunden werden. Ins Zentrum wird oft die Königkerze, auch Muttergotteskerze genannt, gesetzt, um sie herum die anderen Kräuter. Sieben Kräuter sollten in keinem Kräuterbüschel fehlen: Schafgarbe, Baldrian, Arnika, Kamille, Wermut, Pfefferminze und Tausendgüldenkraut – jede steht für eine besondere Heilkraft. Auch Frauenmantel, Wegwarte, Johanniskraut, Haselnusszweige, Rainfarn, Ringelblumen, Salbei, Eisenkraut, Ysop und viele andere werden in die Sträuße gebunden. Die Tage um den 15. August sind gut gewählt. Im Hochsommer haben die Heilkräuter besonders viele Inhaltsstoffe, was eine maximale Wirkkraft verspricht.
Seit jeher hat man duftende Pflanzen mit dem Himmel in Verbindung gebracht, ebenso war Heilkraft mit göttlicher Fügung verknüpft. Somit war es naheliegend, dass das Christentum die verehrte Mutter Gottes mit heilkräftigen, duftenden Pflanzen verband. Dies geht zurück auf eine alte Legende: Demnach rief man nach dem Tod Marias in Ephesos einst alle Apostel zusammen. Der Apostel Thomas soll – wieder einmal – um drei Tage zu spät eingetroffen sein. Da man die Verstorbene noch einmal sehen wollte, wurde das Grab geöffnet, doch darin befanden sich an Stelle des Leichnams duftende Blumen, denn Maria war in den Himmel aufgefahren.
Vom Segen für die Kräuterbüschel erhofft man sich eine besondere Heil- und Schutzkraft für Haus und Hof, für Mensch und Tier. Nach der Weihe kommen die Kräuterbüschel deshalb nach Hause und werden sorgfältig getrocknet. Kleinere Sträuße steckt man in der Wohnstube in den Herrgottswinkel und bringt damit den Segen ins Haus. Bei Bedarf werden Kräuter entnommen, bei bestimmten Leiden brüht man einen Tee auf. Auch das Vieh bekommt die heilsamen Kräuter zur Kräftigung ins Futter gemischt. Bei heraufziehendem Gewitter warf man ein Teil ins Herdfeuer, um das Haus vor Blitzschlag zu schützen; am Dreikönigstag räucherte man Haus und Stall aus.
Der Brauch ist seit dem 10. Jahrhundert nachweisbar und knüpft vermutlich an einen vorchristlichen Ritus an. In den Kräuterbüscheln vereinen sich naturheilkundliche, mystische und christliche Motive zu einem schönen Brauch.