König Oswald an der alten Falkensteige
Mitten im Höllental steht die uralte kleine Kapelle Sankt Oswald, malerisch umgeben von Wiesen und Wäldern. Von den Falkensteinern 1148 gegründet ist sie heute die älteste Kirche des Hochschwarzwaldes. Eine Reliquie des Oswald zur Gründung der Kirche soll aus der Abtei Weingarten stammen, wie der Historiker Joachim Wollasch in der Festschrift zur Kapelle ausführlich darlegt. Der Hochadel der Welfen förderte im 12. Jahrhundert diesen Kult um Sankt Oswald in Süddeutschland, nachdem Judith von Flandern bei ihrer Heirat 1070 mit Welf VI wertvolle Reliquien des Oswald aus England mitgebracht hatte. Oswald wurde verehrt als ein christlicher König, der gegen heidnische Könige kämpfte und fiel; er soll Armen und fremden Pilgern stets demütig, gütig und großzügig begegnet sein. Der ‚Blutzeuge von der Insel‘ wurde zum Patron der Armen, der Bauern, des Viehs sowie der Reisenden und christlichen Kämpfer.
Einmalig ist das Hochaltarretabel aus der Zeit um 1515. Der Kunsthistoriker Andreas Curtius schreibt: „Der Hochaltar der Sankt Oswaldkapelle in Steig im Höllental ist der einzige erhaltene spätgotische Wandelaltar mit gemalten Tafeln im Hochschwarzwald. Er gehört zu den wichtigsten in der Region verbliebenen Zeugnissen der oberrheinischen Schule des frühen sechzehnten Jahrhunderts.“ Die gemalten Flügel des Altars stammen aus der Schule des in Freiburg arbeitenden Malers Hans Baldung Grien. In der Mitte stehen Figuren von Apostel Matthias, König Oswald und Erzengel Michael mit Seelenwaage, wunderbare Arbeiten des ebenfalls in Freiburg tätigen Bildschnitzers Hans Wydyz. Der reiche Stifter ist unbekannt, nach Diebstählen stehen die originalen Figuren gut gesichert in der Kirche von Hinterzarten.
Die Bedeutung der Oswald-Kapelle änderte sich im Laufe der Jahrhunderte, denn sie war nur Filialkirche von Breitnau, immer eine ‚Kirche ohne Dorf‘. Nur von den Hofgütern Posthalde und Sternen kamen die Angestellten, Knechte, Fuhrleute, Postleute, Wirtsleute und auch die Gäste und Reisenden regelmäßig zum Gottesdienst. Der Wirt des „Wirtshaus unter der Steig“ musste den Messnerdienst in Sankt Oswald versehen und den Messwein liefern. Alle Bewohner des Höllentals wurden um die Kapelle herum begraben, davon zeugt heute das Beinhaus unter dem Anbau der Sakristei. Eine Zeit lang gab es den Brauch, dass an bestimmten Tagen die Pfarrer von Breitnau und Hinterzarten mit ihrer Gemeinde nach Sankt Oswald zur Messe pilgerten. An Kirchweih gab es regen Zulauf, Anfang des 19. Jahrhunderts kamen bis zu 16 Geistliche zur Messe, denn auf Grund einer Stiftung hatten sie anschließend im benachbarten Gasthaus freie Kost. Doch schritt alsbald das Rechnungsprüfungsamt ein. Der Weg für die Gläubigen war sehr beschwerlich, so gab es schließlich immer weniger Messen in Sankt Oswald. Heute wird nur noch das Patrozinium am 5. August gefeiert, gelegentlich finden Trauungen statt.
Nachdem die Zähringer um 1100 ihren Hauptsitz in den Breisgau auf die Burg Zähringen und Burg Freiburg verlegt hatten, brauchten sie dringend neue und bessere Straßenverbindungen nach Osten über den Schwarzwald zu ihren weiteren Besitzungen. Die alte Wagensteigroute über den Thurner ins Bregtal war die bevorzugte Verbindung zwischen Freiburg und Villingen. Die Falkensteiner eröffneten einen neuen Weg, zunächst über das Engenbachtal, wo sie am Eingang ihre Burg errichteten. Das Falkensteinertal (heute Höllental) wurde etwa ab 1250 geöffnet und für den Fuhr- und Kutschverkehr berfahrbar gemacht, es war der kürzere, bequemere und schnellere Weg in den Hochschwarzwald und Richtung Bodensee.
Heute liegt das „Hofgut Sternen“ neben der Oswald-Kapelle, das ehemalige „Wirtshaus unter der Steig“. Dessen Anfänge gehen zurück auf die Einrichtung des Weges durch das Falkensteinertal im 13. Jahrhundert. Dem Wirt oblag vor allem Pflege und Unterhalt der Straße. Für die Steilstrecke auf der „Alten Steige“ nach Hinterzarten bis zum „Wirtshaus Obere Steig“ benötigten Fuhrwerke bis zu acht Pferde als Vorspann. Daher gab es beim „Wirtshaus unter der Steig“ Stallungen für bis zu 60 Pferde, Unterkünfte für Rossknechte und Strassenarbeiter, dazu Werkstätten für Schmiede, Sattler, Seiler und Wagner. Für diesen hohen Aufwand wurde Wegezoll erhoben, seit dem 13. Jahrhundert unter der Burg Falkenstein. Im 18. Jahrhundert wurde die Zollstelle an das „Wirtshaus unter der Steig“ verlegt. Einen besonderen Höhepunkt barocker Prachtentfaltung erlebten die Menschen, als am 4.5.1770 der Brautzug der Marie Antoinette auf dem Weg nach Freiburg hier Halt machte, um die Pferde zu wechseln. Der imposante Tross bestand aus 21 Sechsspännern, weiteren 57 Kutschen und Wagen, insgesamt 450 Pferde und etwa 250 Personen waren unterwegs von Wien nach Paris. Schon ab 1755 hatte man die enge Felsenschlucht beim Hirschsprung erweitert und verbessert. Die „Alte Steige“ wurde erst 1856/57 abgelöst und außer Betrieb gesetzt durch den Bau mehrerer Kehren, wo sich heute täglich die stinkende und lärmende Verkehrslawine auf der B31 hindurchquält.
Die Lage der einstigen Gemeinde Steig mit den starken Wasserkräften im Löffeltal und im Ravennatal und der alte Verkehrsweg führten zu einer außergewöhnlichen Entwicklung des Handwerks. Mehrere Mühlen, Sägen, Schmieden arbeiteten hier, dazu Seiler, Kübler, Schindelmacher und Wasserradbauer. Der „Verein Heimatpfad Hochschwarzwald“ kümmert sich intensiv um Dokumentation und Erhalt einiger Anlagen, Roland Weis regt mit seinem Buch „Zeitreise zu Fuß“ zu einer wunderbaren Wanderung an auf historischen Spuren.