Vitus in siedendem Öl gekocht
Ein kleines Kirchlein, ein Bauernhof, umgeben von steilen Weinterrassen am Südhang des Kaiserstuhls. Die meisten fahren achtlos vorbei an diesem Ort der Stille. Die spätgotische Kirche St.Vitus / St. Veit ist heute die Friedhofskapelle von Wasenweiler, der alte Name ist Neunkirch. Einst war sie die Pfarrkirche von neun Gemeinden in der Umgebung und gehörte der Abtei Murbach.
Die Anfänge sind unsicher. Eine Mühle in ‚Nünkilche‘ wird 1314 erstmals erwähnt, die Vituskirche in Archivalien des 13. Jahrhunderts. Sie ist aber älter. Ein Tauf- oder Weihwasserbecken, das aus der Kirche stammen soll und sich heute im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe befindet, wurde vom Freiburger Theologen und Kunsthistoriker Joseph Sauer ins 9. oder 10. Jahrhundert, von späteren Forschern ins 12. Jahrhundert datiert. Später im 14. Jahrhundert kam sie in den Besitz des Deutschen Ordens. Dessen Schutzheilige sind Georg und Elisabeth von Thüringen, diese finden sich heute noch auf dem Seitenaltar.
Im Volksmund heißt die Vitus-Kapelle auch „Peschdkirch“, eine Erinnerung an zahlreiche Wallfahrten, die hier einst stattfanden. In der Zeit der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Habsburger Kaiser Joseph II wurden sie verboten, vornehmlich um die Zeit der Arbeitstage zu erhöhen. Bei Krankheiten, Epidemie und Tod pilgerten die Menschen immer wieder in großer Verzweiflung zu ihrem Heiligen, baten ihn um Hilfe. So wurde Vitus angerufen, um Krämpfe, Epilepsie, Tollwut, Veitstanz, Bettnässen und Schlangenbiss zu heilen.
Die kleine Kirche bietet zwei großartige Kunstschätze. Das Altarretabel ist eine wundervolle Schnitzarbeit, dem Sixt von Staufen Anfang des 16. Jahrhunderts zugeschrieben. In der erhöhten mittleren Nische steht die Madonna auf der Mondsichel mit dem nackten Christkind auf dem Arm. Links handelt es sich um den heiligen Nikolaus von Myra, die drei Goldkugeln auf dem Buch fehlen, rechts um den heiligen Diakon Stephanus, bei dem die Steine seiner Steinigung verloren gegangen sind. Ein reiches, dichtes Maßwerk mit Dornblattranken, in denen Vögel sitzen, füllt die Fläche vor den kleinen Gewölben über den Heiligen. „Dieses Maßwerk ist in seiner gesamten Bildung wie auch in der Schnitzweise im Einzelnen dem Locherer-Altar in Freiburg so verwandt, dass wir hier wohl auf eine gemeinsame Meisterhand schließen können“ schreibt Ingeborg Krummer Schroth. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde das Retabel zum Schutz bei Bauern in der Scheune versteckt, genauso wie die kostbaren Schnitzaltäre von Breisach und Niederrottweil. Doch nach dem Krieg wurde dieser Altar für viele Jahre vergessen, kam später ins Augustinermuseum Freiburg und erst 2011 zurück. Nun steht er bestens gesichert in einer Klimakammer und unter Panzerglas an seinen alten Ort.
Die ganze Lebensgeschichte des Vitus wird ausführlich in 20 Szenen auf einem großartigen Freskenzyklus an der Südwand der Kapelle dargestellt. Vitus war als Kind von der Amme Crescentia und deren Mann Modestus im christlichen Glauben erzogen worden. Er ließ sich nicht vom Glauben abbringen, wirkte allerlei Wunder. Als Kaiser Diokletian von dem Jungen hörte, holte er ihn nach Rom, weil Veit seinen Sohn, der von einem bösen Geist befallen war, heilen sollte. Obwohl Veit dies gelang, sollte er seinen Glauben aufgeben und den heidnischen Göttern opfern. Als Veit sich wieder weigerte, wurde er vor die Löwen geworfen, damit diese ihn zerfetzten. Die Löwen aber legten sich vor ihm nieder, leckten seine Füße und taten ihm nichts. Schließlich wurde Veit zusammen mit Modestus und Crescentia in einen Kessel mit siedendem Öl geworfen, doch Engel retteten sie daraus. Auf dem Seitenaltar ist diese Szene mit Bild und Figuren sehr dramatisch dargestellt. Bei einer Führung werden die Fresken wunderbar zum Leben erweckt.